3. Muskeldehnung

3.4 Dehnen zur Leistungsverbesserung im Sprint
3.5 Dehnen zur Verletzungspropylaxe
Ergänzung: Dehnen und Muskelkater

illu.dehspri

 3.4. Neuere Befunde zum Thema: Dehnen zur Leistungsverbesserung im Sprint

Von den Effekten, die von Muskel-Dehnungsmaßnahmen erwartet werden, ist die Vergrößerung der Bewegungsamplitude des Gelenkes, über das der gedehnte Muskel hinwegzieht, der am häufigsten genannte. Eine kurzfristige Leistungssteigerung durch Dehnbelastung kann vornehmlich mit der Steigerung der Beweglichkeit erklärt werden. Allerdings ist auch eine Beeinflussung des Erregbarkeitszustandes der Alpha-Motoneurone denkbar, ähnlich wie dies von den Aftereffekten nach Kontraktionen („Kohnstammsches Phänomen“,  post-contraction-effect, postcontraction sensory discharge) bekannt ist.

Im Folgenden wird ein Teilexperimenten  eines vom Bundesinstitutes für Sportwissenschaft 1991 geförderten Forschungsvorhabens dargestellt. Siehe: Bundesinstitut für Sportwissenschaft (Hrsg.): Sportwissenschaftliche Forschungsprojekte. Erhebung 1992. Köln Selbstverlag 1993. S. 445 [download]

Weiter im Projekt: Sprint, Analyse und Optimierung

 

 
illu.deh.prohy

3.5. Dehnen zur Verletzungsprophylaxe:

Das Problem, ob ein Dehntraining vor Verletzungen schützen kann, lässt sich unter den unterschiedlichsten Aspekten (von allgemeiner bis konkreter Fragestellung) betrachten:

–  Ausgehend von dem anerkannten Effekt eines Dehnens, der Steigerung der Muskeldehnfähigkeit und – als Folge davon – der Beweglichkeit, ist anzunehmen, dass eine größere allgemeine Körperbeweglichkeit  auch die Fähigkeit verbessert, im Laufe der Alltags- und/oder Sportmotorik Gefahrensituationen aus dem Wege zu gehen und somit bewegungsbedingte Verletzungen zu vermeiden.

–  Da Dehntraining jedoch ausschließlich Muskeltraining darstellt, muss die Frage konkretisiert und auf den Zusammenhang von Dehntraining und Muskelverletzungen verdichtet werden, aber nicht auf alle möglichen Muskelverletzungen generell, sondern nur auf solche, die sich aus der motorischen Nutzung der Muskeln ergeben.

–  Die einzige physiologisch sinnvolle Kernfrage ist, ob ein bestimmter ausgewählter Muskel durch eine ihm angediehene Dehnbehandlung widerstandsfähiger gegen solche Verletzungen wird, die durch Spannungsbelastungen verursacht werden (Zerrungen, Faserrisse o.ä.).

Dieser Kernfrage liegt als Hypothese folgender Gedankengang zugrunde:
Dehntraining eines Muskels (einer Muskel-Sehnen-Einheit) bedeutet das Applizieren einer Serie von Spannungsbelastungen auf das muskuläre Gewebe, das dadurch kurzfristig nachgiebiger wird und/oder an Widerstandsfähigkeit einbüßt (s.: Effekte des Dehntrainings). Im Zuge einer anschließenden Ruhephase könnte
der Belastungsreiz gemäß dem Verlauf biologischer Regenerationsprozesse mit anschließender Hyperkompensation (s. Abb. 1)  eine Stabilisierung des Gewebes bewirken, was sich nach einer längeren Trainingsperiode in einer Verminderung der Verletzungsanfälligkeit und einem Anstieg der Widerstandsfähigkeit äußern müsste. Dies scheint aus dem Grunde schon plausibel, weil eine Spannungsbelastung allein, sofern sie die Belastungs-Verletzungsgrenze überschreitet, schon eine Spannungsverletzung herbeiführen kann und deshalb der Organismus sich auch nach unterschwelligen Belastungen durch endsprechende Wachstumsprozesse „vorsorglich“ vor kommenden Überlastungen schützt. 
  

               mu.verletz

Abb. 1: Verlauf der Organ-Belastbarkeit im Zuge eines Trainingsprozesses

Gemäß dieser Annahme kann nicht erwartet werden, dass intensives Dehnen den Muskel „kurzfristig“, also unmittelbar nach einer Dehntrainingseinheit, gegen Dehnbelastungen widerstandsfähiger werden lässt. Eher das Gegenteil muss aufgrund von Aufwärmeffekten, thixotropen Veränderungen, „Materialermüdung“ oder ähnlichem erwartet werden. Deshalb scheint es nur Sinn zu machen, auf eine langfristige, nach einer Serie von Trainingseinheiten zur Wirkung kommende Reduzierung der Verletzungshäufigkeit zu spekulieren – und zwar durch eine zunehmende Stabilisierung des muskulären Bindegewebes.

Allerdings lässt sich dieser Zusammenhang nicht experimentell überprüfen, da es sich aus ethischen Gründen verbietet, im Experiment gezielt Verletzungen zu provozieren. Aus diesem Grunde ist es nur möglich, quasiexperimentell die Wirkungszusammenhänge in der Trainingspraxis gezielt zu beobachten und Schlussfolgerungen aus den Beobachtungen zu ziehen.

Studien, die diesen Zusammenhang direkt aufzudecken versuchen, sind nur vereinzelt zu finden, wenn auch mit unterschiedlichen Ergebnissen:

Arnason, A, T. E. Andersen, I. Holme, L. Engebretsen, R. Bahr: Prevention of hamstring strains in elite soccer: an intervention study. Scand J Med Sci Sports 2008: 18: 40–48 (…” using a contract–relax exercise of the hamstring musculature … during the intervention seasons…there was no difference in the incidence of hamstring strains between teams that used the flexibility training program …and those who did not…”)

McHugh MP, Cosgrave CH.: To stretch or not to stretch: the role of stretching in injury prevention and performance. Scand J Med Sci Sports. 2010 Apr;20(2):169-81. (“… A general consensus is that stretching in addition to warm-up does not affect the incidence of overuse injuries …”).

Verrall, G M, J P Slavotinek, P G Barnes: The effect of sports specific training on reducing the incidence of hamstring injuries in professional Australian Rules football players. Br J Sports Med 2005; 39: 363–368.
(Intervention programs including hamstring stretches (passive isometric) “…whilst the muscle is fatigued, and implementing sport specific training drills resulted in a significant reduction in the number and consequences of hamstring muscle strain injuries…”)

 

Ausführliche    Berichte bei: http://www.circuit-training-dehnen-dr-klee.de/index.php/2013-02-06-11-46-14/2013-02-16-08-21-41
und:

KLEE, A. (2013): Update Dehnen. Sportunterricht 62, 5: 130 – 134. [download (pdf-Datei)]

[zurück zum Seitenanfang]

Ergänzung: Dehnen und Muskelkater:

Dehnungsübungen werden häufig als Maßnahmen zur Vorbereitung des Muskels auf Kraftbeanspruchungen empfohlen, um Muskelbeschwerden vorzubeugen. Zur Prüfung dieses Wirkungszusammenhanges wurde an 24 weiblichen Vpn untersucht, ob statisches Dehnen das Entstehen von Muskelkater beeinflusst: Vor jedem der 5 Sätze einer exzentrischen Beanspruchung des M. rectus femoris  beider Beine (je Satz 30 Wiederholungen) wurde ein 3 min -Dauerdehnen des M. rectus femoris  nur eines Beines praktiziert. An den 7 folgenden Tagen hatten die Vpn die Intensität des Muskelkaters für beide Beine getrennt abzuschätzen (Skala von 0 bis 5). Als Ergebnis zeigte sich, dass im Mittel der Muskelkater im gedehnten Bein höher eingestuft wurde als im Kontrollbein. Als Ursachen werden mechanische und neuronale Wirkungen sowie Änderungen der Ca 2+-Konzentration diskutiert. Es kann gefolgert werden, dass (kurzfristige) Dehnübungen, unmittelbar vor Kraftbeanspruchungen durchgeführt, die Gefahr von Muskelbeschwerden eher steigern als vermindern. (s. jedoch die Langzeit-Wirkung von Dehnübungen, s.u.!)

Vollständiger Bericht: WIEMANN, K./KAMPHÖFER, M. (1995): Verhindert statisches Dehnen das Auftreten von Muskelkater nach exzentrischem Training ? Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 46, 9, S. 411-421.[abstract], vollständiger Text: [download (pdf-Datei)]

(siehe auch: WIEMANN, K./FISCHER, T. (1997): Ruhespannung und Muskelkater. Sportwissenschaft 27 (1997) 4: 428-436. [abstract], vollständiger Text: [download (pdf-Datei)])

 

Aktuelle Befunde zum Thema „Dehnen und Muskelkater“:

a) Befunde nach Kurzzeittraining:

(2011) Herbert RD, de Noronha M, Kamper SJ: Stretching to prevent or reduce muscle soreness after exercise. In: Cochrane Database Syst Rev. 2011 Jul 6;(7):CD004577.
Darin lautet die Schlussfolgerung:
“The evidence from randomised studies suggests that muscle stretching, whether conducted before, after, or before and after exercise, does not produce clinically important reductions in delayed-onset muscle soreness in healthy adults.”

b) Befunde nach Langzeittraining:

(2011) Chen CH, Nosaka K, Chen HL, Lin MJ, Tseng KW, Chen TC.: Effects of flexibility training on eccentric exercise-induced muscle damage. Med Sci Sports Exerc. 2011 Mar;43(3):491-500
Schlussfolgerung nach einer 8-wöchigen Trainingsphase:
“ … both SS (static stretching) and PNF (proprioceptive neuromuscular facilitation) training are effective in attenuating eccentric exercise-induced muscle damage and … flexible muscles are less susceptible to the damage.

[zurück zum Seitenanfang]